Vom Schwefelbad zum Sexkübel

Das 20. Jahrhundert läutet den Wendepunkt für den Kurort ein

Die Veränderung in Bad Schönborn schreiten ab dem 20. Jahrhundert rasant voran. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dreht sich noch alles um die Schwefelquelle und die Trinkuren. Mit der Entdeckung der Thermalquelle wird die Zukunft der Kurgemeinde nachhaltig verändert.

Nach 1905: Die erste Blütezeit des Kurbetriebs in Mingolsheim

Wie in Langenbrücken hatte man auch in Mingolsheim im 18. Jahrhundert Schwefelquellen entdeckt, doch sollte es noch mehr als hundert Jahre dauern, eh hier der Badebetrieb ins Rollen kam und zu seiner heutigen Blüte führte, hatte doch Franz Peter Sigel aus Langenbrücken 1824 durch einen klugen Schachzug alle Konkurrenz aus Mingolsheim für Jahrzehnte ausgeschaltet.

1839 kaufte der Apotheker Franz Stetzenbach Buchmüllers Mühle in Mingolsheim, auf der sich die Schwefelquelle befand, deren Heilwasser seit 1824 bereits regional verkauft wurde. Mit einem 15-seitigen Anwaltsschreiben bat Stetzenbach 1840 um Genehmigung eines Bades, schließlich müsse das Recht kranker Menschen über den Privilegien Dritter stehen. Doch für das Innenministerium hatte zu der Zeit noch die Sicherung des Sigelschen Bades in Langenbrücken Priorität.

Eine Getreidemühle auf kostbarem Boden

1848 übernahm die Familie Weickgenannt die Buchmühle und errichtete 1880 gegenüber der Mühle ein Wohnhaus. Man ahnte damals noch nicht, auf welch kostbarem Grund man gebaut hatte. 1905 stieß Otto Sebastian Weickgenannt beim Bohren auf eine neue Schwefelquelle. Sein Sohn Franz berichtete: „Mit großer Kraft und übelriechendem Gas vermischt, schoss das Wasser aus dem Bohrloch … Ein unheimliches Glucksen begleitete den etwa drei Meter hohen Wasserstrahl, und die ausströmenden Gase verpesteten die ganze Umgebung.“ Nachdem die Technische Hochschule Karlsruhe die Qualität des Wassers bestätigt hatte, baute Weickgenannt ein kleines Badehaus mit mehreren Kabinen sowie eine Gaststätte mit Zimmervermietung. 1922 ging das „Schwefelbad Mingolsheim St. Rochusbrunnen“ an den Ludwigshafener Caritasverband über, der es zu einem 60-Betten-Haus ausbaute.

Trinkkuren nach genauer ärztlicher Vorgabe

In einem Prospekt des Sanatoriums St. Rochus aus dem Jahr 1925 heißt es: „Das Wasser des St.-Rochus-Brunnens wird zum Trinken, Baden und Gurgeln gebraucht. Man trinkt täglich 100 bis 1000 ccm auf die Morgen- und Nachmittagsstunden verteilt, kalt oder warm, manchmal mit Zusatz von heißer Milch. Man soll langsam und in großen Pausen trinken und sich dabei Bewegung machen.“ Das Badehaus enthielt 16 Einzel-Badekabinen, gemeinsames Baden war damals noch verpönt. Die Badetemperatur lag zwischen 33 und 36 Grad Celsius. Nach jedem Schwefelbad sollte der Kurgast eine Stunde Bettruhe halten und insgesamt vier bis fünf Wochen lang Kur halten.

Die Anlage mit dem St. Rochusbrunnen wurde immer weiter zu einer modernen Kurklinik ausgebaut, die 1977 durch einen komfortablen Bettentrakt inmitten einer sieben Hektar großen Parkanlage gekrönt wurde. Heute ist „das Rochus“ mit 415 Betten die größte Rehabilitationseinrichtung Bad Schönborns und der gesamten Region, die neben Orthopädie und Rheumatologie auch um Fachbereiche wie Neurologie,  Kardiologie, Geriatrie und Sportmedizin  erweitert wurde.

Neben der Rochusklinik wurde 1928 ein zweites Kurbad von Philipp Gantner in Mingolsheim eröffnet. Beim Versuch, eine Trinkwasserquelle zu erbohren, war er ebenfalls auf eine Schwefelquelle gestoßen. Sein Bad wurde mehrfach erweitert und in den 1970er Jahren zu einer Kurklinik ausgebaut. 1984 kam eine Schmerzklinik hinzu. 1995 ging das Unternehmen jedoch in die Insolvenz.

Vom Sexkübel zum Thermarium

Die Entdeckung der Thermalquelle

Großen Aufschwung für den Kurort brachte 1970 in 637 Metern Tiefe die Entdeckung einer Thermalquelle und die Einrichtung des Thermariums.

Ein Wendepunkt für Mingolsheim

Mit der Entdeckung der Rochusquelle hatte Mingolsheim ab 1905 den ersten Aufschwung als Kurort erlebt. 1964 erfolgte offiziell die Verleihung des Titels „Bad“, den 1965 auch Langenbrücken erhielt. Bereits 1963 hatte Bürgermeister Josef Willhauck Kontakt zum Geologischen Landesamt aufgenommen, um die Erkundung weiterer Mineralwasservorkommen in Angriff zu nehmen. Es sollte für Langenbrücken und Mingolsheim, die 1971 zur Gesamtgemeinde Bad Schönborn vereinigt wurden, zum Segen werden, dass man mit Landesgeologen Kurt Sauer einen wahren Quellenexperten, der als „Quellenpast“ in die Ortsgeschichte einging, zur Verfügung gestellt bekam. Mit seinem Namen sind in Bad Schönborn die Erschießung der Karl-Sigel-Quelle (1969), der zwei Jahre später die Einweihung des Sigel-Thermalbades folgte, sowie der Lambertus-Soletherme verbunden.

Es war am 20. April 1970, als man in Mingolsheim auf diese neue „Goldgrube“ stieß: In fast 636 Metern Tiefe fand sich eine 43 Grad heiße Thermalquelle.  Bald reiften unter Bürgermeister Walter Bender die Pläne für den Bau eines Thermalbads. Bis dahin wurde das Quellwasser, das durch den Überdruck mit drei Litern pro Sekunde ständig nachfloss, provisorisch in einem Holzbottich genutzt, den der in Quellennähe Schreinermeister Wilhelm Thome anfertigte.

Große Nachfrage nach den heißen Quellen

Das Baden im ungewöhnlich heißen und gesunden Wasser lockte immer mehr Menschen an, tagsüber nutzten den Bottich Rheuma- und Kreislaufkranke, in den späten Abendstunden diente er auch  Jugendlichen aus der Umgebung als Zentrum ihrer Zusammenkünfte, die dort regelrechte „Orgien“ feierten, wie es im Dorfe hieß – und das wenige Meter von Friedhof und katholischer Kirche entfernt.

Dadurch erregte der Bottich als „Sexkübel“ bald weit über Bad Schönborns Grenzen hinaus Aufmerksamkeit. So sollen gelegentlich anderntags an Grabkreuzen Schlüpfer sowie BHs an zertrampelten Gräbern gehangen haben. Alle Bemühungen, den Sexkübel trockenzulegen, scheiterten. Selbst der vom Rathaus entsandte Ordnungshüter kapitulierte vor zwei Dutzend ihn „einkreisender textilfreier Evas“, wie ein Chronist berichtete.

Gegen das frivole Wildbaden halfen nur bauliche Maßnahmen. 1973 ersetzte man den Kübel durch ein provisorisches Schwimmbad mit Zaun, das nachts nicht mehr zugänglich war. Ein Gutes jedoch hatte der Bottich gebracht: Starke Werbung, schließlich hatte der „Bad Schönborner Sexkübel“ deutschlandweit  Schlagzeilen gemacht. Und auch viele Schwarzbader von damals blieben dem Ort als zahlende Thermariums-Gäste treu.

Gesundheitsbad im Thermarium

Die Einweihung des Thermal-Sole Bewegungsbades „TherMarium“ erfolgte im Februar 1975. Mit einer Gesamtinvestition von rund 18 Millionen Mark verfügte Bad Schönborn nun über eines der größten und modernsten Thermalbäder in Deutschland. Tagesgäste kamen aus weiter Entfernung angereist.Bereits 1981 wurde die erste Erweiterung vorgenommen.

Heute verfügt das Thermarium über eine Gesamtwasserfläche von 1400 Quadratmetern sowie über eine Salzgrotte, Fitness- und Wellnesszentrum. Badetemperaturen von 31 bis 35 Grad Celsius helfen bei der Behandlung von Rheuma, Gicht, Ischias und Hautkrankheiten.

Modernes Kurerlebnis Bad Schönborn

Blickt man zurück, so hat sich der Schwerpunkt eines Kuraufenthaltes seit Mitte des 20. Jahrhunderts gewandelt. „Omas Badekultur ist tot“, fasste der damalige Chefarzt von St. Rochus, Ludwig Handrich, diese Wandlung 1977 zusammen. Gemeint war, dass ein Kuraufenthalt nicht mehr nur der privilegierten Gesellschaftsschicht vorbehalten war, die - elegant das Heilwasserglas zwischen den Fingern balancierend - zwischen Konzerten und Teepartys auf Alleen flanierte. Die moderne Sozialgesetzgebung hatte Reha- und Kuraufenthalte für alle sozialen Schichten erschwinglich gemacht.

Der Aufschwung des Kurortes Bad Schönborn setzte sich durch die Ansiedlung mehrerer Kliniken fort. Sankt Rochus, Sigel-Klinik, die Mikina sowie die zum Celenus-Verbund gehörenden Kliniken Gotthard Schettler und Sigmund Weil verfügen heute zusammen über 1000 Betten.

Durch den Umbau des Kurparks zum Sole Aktiv Park Bad Schönborn wurden die Kernkompetenzen Wasser und Gesundheit weiter gestärkt und Bad Schönborn als Klinik- und Gesundheitsstandort noch attraktiver gemacht.

Postkarte von 1940

Die Vorzüge des Kurortes in Mingolsheim

Gelegen an des Kraichgaus Rand /
Sprach: „Bin nur ein Bauerndörfchen, /
kenn nicht Luxus und nicht Tand /
Doch ein Kleinod wohl besitz‘ ich, Schwefelwasser heißt das Ding /
Rheuma, Ischias, Gicht ich hasse, /
für immer ich sie niederring.“